Ursprünglich als Novelleneinlage zu Wilhelm Meisters Wanderjahre gedacht, nahm Goethes außergewöhnliche Geschichte um Charlotte, Eduard, Ottilie und Otto während des Schreibens derart Fahrt auf, dass er sich kurzerhand entschied das Format zu wechseln. Als der Roman „Die Wahlverwandtschaften“ im Sommer 1809 erschien, erntete er Erfolg und laute Empörung. Goethe präsentierte eine literarische Versuchsanordnung, welche noch nach 200 Jahren unsere mitunter allzu gemütlichen Individualitätsvorstellungen ins Wanken bringt. Die Geschichte der vier Freunde, wie Goethe sie nennt, startet zunächst idyllisch: Eduard und Charlotte gestalten die Ländereien ihres Anwesens in Parkanlagen um. Doch Eduards anstellungsloser, aber mit vielen Fähigkeiten ausgestatteter Freund Otto übernimmt die Leitung des Unternehmens. Als kurz darauf Charlottes mittellose Nichte Ottilie in die Gemeinschaft eintritt, entsteht zwischen den nunmehr vier Protagonisten ein Strudel aus unkontrollierbaren Gefühlen und Leidenschaften und droht, die bisher als unumstößlich angesehene Ordnung zu zerstören. Während Charlotte und Otto sich zueinander hingezogen fühlen, entzündet sich in Eduard eine leidenschaftliche Liebe zu Ottilie, die diese erwidert: ein Überkreuzarrangement mit fatalen Folgen!
Den Titel des Romans entlehnte Goethe einem naturwissenschaftlichen Kontext. Der Begriff Wahlverwandtschaften wurde 1718 von dem französischen Chemiker Etienne F. Geoffrey Saint-Hilaire geprägt. Dieser bezeichnete damit eine Kraft, welche Verbindungen schafft, zwischen sich wechselseitig anziehenden Elementen, unter gleichzeitiger Auflösung weniger starker Verbindungen derselben. Doch Saint-Hilaires Namenswahl verweist nicht nur auf verwandtschaftliche Beziehungen der Elemente zueinander, sondern unterstellt denselben paradoxerweise eine Wahl, einen freien Willen. Als Kinder ihrer aufgeklärten Zeit wenden Goethes Protagonisten scherzend das Konzept auf ihre eigenen Beziehungen an und imaginieren neue freundschaftliche Verbindungen untereinander. Sie gehen allerdings nicht so weit, sich ernsthaft Verbindungen vorzustellen, die neue Liebesbeziehungen hervorbrächten. Die Natur hat den gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen. Eduard z.B. sieht sich in voller Kontrolle seiner Gefühle und Triebe und entspricht somit dem Glauben der Aufklärung, diese seien ohne weiteres regulierbar und in feiner Balance zur menschlichen Vernunft zu halten. Doch die neuen Verhältnisse entfalten sich nicht so übersichtlich, wie gewünscht. In ironischer Brechung führt Goethe seine Protagonisten buchstäblich an die Grenzen ihrer Vernunft und etabliert ein umfassenderes Wahrheitsspiel.
Team
Schauspiel: Astrid Kohlhoff, Corinna Mühle, Mario Pinkowski, Thomas Kressmann
Regie, Textfassung und Bühnenbild: Silvio Beck
Kostümbild: Katharina Kraft
Dramaturgie- und Regieassistenz: Peter Moltmann
Produktionsleitung: Jana Huber
Technik und Bühnenbau: Sven Suppan
Technik- und Bühnenassistenz: Frowin Wolter
Fotografie: René Schaeffer
Grafik: Silvio Beck
Produktion
Konsortium Luft und Tiefe:
Schaustelle Halle in Koproduktion mit Künstlerhaus Thüringen Schloss Kannawurf
Spielorte
Schloss Kannawurf, Wittumspalais Weimar, Oberburg Giebichenstein
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Förderer und Unterstützer
Land Sachsen-Anhalt, Lotto Sachsen-Anhalt, Freistaat Thüringen,
Stadt Halle. Stadt Weimar, Umzüge Ebert,
Solidarfonds der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt DIE LINKE Stadtverband Halle (Saale)